Aerts Mariette - Hexenheide.pdf

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Mariëtte Aerts
Aus dem Niederländischen von
Gerold Anrich
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Lübbe Digital
Vollständige E-Book-Ausgabe
des in der Bastei Lübbe GmbH & Co. KG erschienenen Werkes
Lübbe Digital in der Bastei Lübbe GmbH & Co. KG
Für die Originalausgabe:
Copyright © 2005 bei De Vier Windstreken / Mariëtte Aerts
Titel der Originalausgabe: »Heksenhei«
Für die deutschsprachige Ausgabe:
Copyright © 2010 by Baumhaus Verlag in der Bastei Lübbe GmbH & Co. KG
Die Übersetzung dieses Buches
wurde von der Stiftung für die Produktion und Übersetzung
niederländischer Literatur gefördert.
Lektorat: Barbara Rumold, Frankfurt am Main
Datenkonvertierung E-Book:
Bosbach Kommunikation & Design GmbH, Köln
ISBN 978-3-8387-0747-1
Sie finden uns im Internet unter
Bitte beachten Sie auch: www.lesejury.de
Ein kalter Wind ließ die Fensterläden klappern. Das Haus stöhnte und ächzte
unter den Böen, die über die Heide fegten. Das Frühjahr wollte einfach nicht in
die Gänge kommen, und drinnen saßen die drei Frauen um das Herdfeuer, das
normalerweise in dieser Jahreszeit nicht mehr so stark geschürt werden musste.
Die Jüngste streckte ihre mageren Hände zitternd dichter zum Feuer hin.
Die Frau, die neben ihr saß, strich sich eine lange Strähne ihrer schlohweißen
Haare aus den Augen und warf ihrer jüngeren Schwester einen besorgten Blick
zu.
»Mir ist einfach kalt«, sagte die zitternde Frau beruhigend.
Aber die ältere Frau schüttelte den Kopf. »Und du bist müde, viel zu müde.«
Sie ließ den Blick durch den feuchtkalten Raum wandern. Er blieb einen Augen-
blick lang an den Ritzen im Fensterrahmen hängen. »Es muss unbedingt etwas
passieren.«
»Ja«, stimmte ihr die dritte Frau plötzlich zu und beugte sich vor. »Wir sind
viel zu brav geworden. Meiner Meinung nach hat uns mittlerweile so ziemlich
jeder vergessen.« Mit einer ärgerlichen Bewegung zog sie sich das schwarze
Umschlagtuch, das sie trug, fester um die Schultern.
»Vergessen zu werden war bei Weitem das Sicherste«, antwortete die
weißhaarige Frau zurechtweisend.
»Ich habe es aber satt.« Wieder zerrte die andere ungeduldig an dem schwar-
zen Tuch. »Wenn nicht bald etwas passiert, gehe ich von hier weg.«
»Wo willst du denn hin?«
Darauf hatte die Frau mit dem Tuch keine Antwort. Aber sie richtete sich
kerzengerade auf. »Ich denke, es ist jetzt an der Zeit für etwas frisches Blut.« In
ihre giftgrünen Augen trat ein Glitzern. »Ich hab das schon öfter gesagt, Alba.
Frisches Blut, oder wir sterben einen langsamen, langweiligen Tod.«
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Die weißhaarige Frau seufzte. Dann nickte sie. »Vielleicht hast du ja recht,
Vita.« Sie runzelte die Stirn und sah zu der jungen Frau neben sich. »Erin?«
Diese zuckte zögernd mit den Schultern und senkte den Kopf, wodurch ihr
Gesicht von roten Locken verborgen wurde. Sie war diejenige gewesen, die im-
mer entschieden gegen das frische Blut war, das Vita gerade zum soundsovielten
Mal gefordert hatte.
Vita klopfte ungeduldig mit ihren Absätzen auf den Boden. »Werde endlich
mal erwachsen, Erin! Und tu nicht so scheinheilig. Du weißt schließlich, dass es
sein muss. Und versteck dich nicht immer hinter deinem tugendhaften Gesicht.
Was machst du überhaupt noch hier, wenn du dich mit solchen Gedanken nicht
abfinden kannst?«
»Scht!«, zischte die Frau mit den weißen Haaren. »Fangen wir doch nicht
schon wieder so an. Erin, ich befürchte, dass ich Vita zustimmen muss. Sie hat
recht. Und ich denke auch, dass wir es möglichst schnell über die Bühne bringen
müssen. Auch du kommst langsam in die Jahre, und bald ist dann von deinem
ewig jungen Gesicht nichts mehr zu sehen.« Sie blickte Vita fragend an.
»Glaubst du, dass diesmal eines reicht?«
»Zwei«, antwortete Vita prompt. »Mindestens.«
»Hast du schon jemanden im Auge?«
Vita nickte und lächelte.
Erins Kopf zuckte hoch. »Oh, also deshalb hast du dich immer wieder hier
und da umgesehen? Was führst du noch alles im Schilde, ohne uns etwas davon
zu erzählen?« Sie warf der Frau mit den weißen Haaren einen empörten Blick
zu. »Oder … oder bin ich die Einzige, die hier noch nichts davon weiß. Habt ihr
das zusammen ausgeheckt, ohne mir was davon zu sagen?«
Vita grinste unbarmherzig. »Ja, was hast du denn gedacht? Wenn wir darauf
warten müssen, dass du einverstanden bist, dann sitzen wir hier noch in dreihun-
dert Jahren und diskutieren.«
Die weißhaarige Frau mit dem Namen Alba stand von ihrem Stuhl auf.
»Vita, ich hab dir schon gesagt, dass ich deiner Meinung bin, also übe jetzt nicht
solchen Druck aus. Allerdings … wir machen es nicht auf deine Art.«
»Es gibt keine andere Art.«
»Aber natürlich.«
»Was willst du denn dann machen? Einladungen rumschicken?«
»Wenn das möglich wäre …« Alba seufzte.
Vita sprang auf und schmiss dabei ihren Stuhl um. Sie warf den beiden an-
deren Frauen einen verächtlichen Blick zu und stolzierte mit rauschenden
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Röcken aus dem Zimmer. Bevor sie die Tür hinter sich zuschlug, zischte sie
ihnen noch zu: »Was ihr macht … das müsst ihr selbst wissen. Ich mache es auf
meine Art. So, wie es schon immer gemacht worden ist. Und verschont mich
bloß mit eurem süßlichen Getue.«
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