Aldiss,Brian W. - Tod im Staub.pdf

(614 KB) Pobierz
-
380937872.001.png
BRIAN W. ALDISS
TOD IM STAUB
Science Fiction-Roman
Sonderausgabe
WILHELM HEYNE VERLAG MÜNCHEN
HEYNE-BUCH Nr. 06/17
im Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München
Titel der amerikanischen Originalausgabe
EARTHWORKS
Deutsche Übersetzung von Evelyn Linke
Das Umschlagbild schuf Karel Thole
Sonderausgabe des
HEYNE-BUCHS Nr. 06/3332
Der Roman erschien als Paperback-Ausgabe
in der Reihe -Science Fiction für Kenner-
im Lichtenberg Verlag, München 1970
Redaktion: Wolfgang Ieschke
Copyright © 1965 by Brian W. Aldiss
Copyright © 1970 der deutschen Übersetzung
by Lichtenberg Verlag GmbH, München
Printed in Germany 1983
Umschlaggestaltung: Atelier Heinrichs & Schütz, München
Satz: Schaber, Wels/Österreich
Druck: Presse-Druck, Augsburg
Bindung: Grimm + Bleicher, München
ISBN 3-453-30905-7
1
Der Tote trieb im Wind dahin. Er stolzierte aufrecht auf den
Hinterbeinen wie eine dressierte Ziege, genauso wie er es im Leben
getan hatte, ganz korrekt, und war weiter außerhalb des Bannkreises
von Ideologie, Nationalität, Mühsal und Inspiration, als er es jemals
im Leben gewesen war. Ein paar dicke Schmeißfliegen waren bei
ihm geblieben, obwohl er schon weit vom Festland entfernt war und
über den ruhig wogenden Südatlantik dahinwanderte. Ab und zu
wurde die quastenverzierte Borte seiner weißen Seidenhose vom
Gischt der Wellen übersprüht.
Er kam von Afrika her und bewegte sich stetig auf mich zu.
Zu den Toten habe ich ein gutes Verhältnis. Weil es unter der
Erde keinen Platz mehr für sie gibt, wie es früher der Brauch
gewesen war, bewahre ich einige in meinem Gedächtnis auf. Da sind
Mercator und der alte Thunderpeck und Jess, der außerhalb meines
Schädels als tapfere Legende weiterlebt, und dann natürlich mein
lieber March Jordill. In diesem Buch werde ich sie noch einmal
begraben.
An dem Tag, als dieser neue Tote kam, ging es mir gar nicht gut.
Mein Schiff, die Trieste Star , näherte sich ihrem Ziel an der
afrikanischen Skelettküste, aber wie es so oft in den letzten Tagen
jener langen Reise geschah, fühlten sich die wenigen menschlichen
Mitglieder der Schiffsbesatzung wie in einem zähen Sumpf
eingeschlossen, und wir waren ganz damit beschäftigt, uns
gegenseitig förmlich zu ersticken - durch Freundschaft und Launen,
Krankheit und zu enge Vertrautheit. Oh, es ist schon so lange her,
und mir kommt es vor, als ob ich in einem dunklen Keller
herumtaste, wenn ich die Erinnerungen zu greifen suche.
In meinen Augen hämmerte es schmerzhaft, mein Blick war
verschwommen, der Mund trocken, die Zunge pelzig. Ich verspürte
keinerlei Mitgefühl, als der Arzt mir sagte, daß Alan Bator wieder
mit seiner Allergie in der Koje läge.
»Ich hab' die Allergie von dem so satt, Doktor«, sagte ich,
während ich meinen Kopf auf die Hände stützte. »Warum stopfen
Sie ihn nicht einfach mit einem Antihistamin voll und schicken ihn
wieder an die Arbeit?«
»Ich habe ihm eine reichliche Dosis gegeben, aber ohne Erfolg.
Schauen Sie ihn sich selbst an. Er kann sich nicht mehr auf den
4
Beinen halten.«
»Warum müssen solche Krüppel überhaupt zur See fahren? Sie
sagten einmal, daß er vielleicht gegen den Salzgehalt der Luft
allergisch sei?«
Dr. Thunderpeck breitete die Hände aus. »Das war meine alte
Theorie, aber jetzt denke ich an etwas anderes. Ich habe den
ernsthaften Verdacht, daß er vielleicht gegen Antihistamine
allergisch ist.«
Langsam und schwerfällig stand ich auf. Ich wollte nichts mehr
hören. Der Doktor ist eine seltsame und faszinierende Erscheinung;
klein, untersetzt und vierschrötig. Obwohl sein Gesicht sehr
großflächig ist, scheint darin kein Platz für die einzelnen Teile zu
sein; Augenbrauen, Ohrmuscheln, die Augen mit den schweren
Tränensäcken, der Mund, die Nase - insbesondere die riesige
Knubbelnase - sind übergroß geraten. Und über die wenigen freien
Flächen zieht sich eine chronische Akne, die wie der verwitterte Rest
eines Wandreliefs an einer alten Tempelmauer wirkt. Jedenfalls hatte
ich im Moment genug von ihm, und zwar für den Rest der Reise. Ich
nickte ihm kurz zu und ging nach unten.
Da es sowieso Zeit für die Morgeninspektion war und
Thunderpeck sich nie beleidigt fühlte, kam er mir schwerfällig nach.
Seine Schritte waren wie das Echo der meinen, während ich das
Fallreep zu den Laderäumen im untersten Deck hinunterstieg. Auf
jedem Deck blinkten die Kontrollampen der Überwachungsanlage,
und bevor ich weiterging, fragte ich jedesmal den Robotaufseher ab.
Der alte Thunderpeck folgte mir nach wie ein Hund.
»Eigentlich könnten diese Schiffe völlig geräuschlos arbeiten«,
sagte er in einem geistesabwesenden Ton, der vermuten ließ, daß er
keine Antwort erwartete. »Aber die Konstrukteure dachten, daß sich
eine absolute Lautlosigkeit ungünstig auf die Mannschaft auswirken
könnte.«
Er bekam keine Antwort.
Wir gingen an den Laderäumen vorbei. Das Klarsignal von
Laderaum Nr. 3 war verzögert, was ich mir zur näheren
Untersuchung notierte, dann warf ich einen Blick hinein, um mich zu
vergewissern, daß alles in Ordnung war.
Laderaum Nr. 3 war leer. Für mich war ein leerer Laderaum
immer etwas Angenehmes. Es tat mir wohl, den großen freien Raum
zu sehen, aber auf Thunderpeck hatte es eine völlig andere Wirkung.
Er fühlte sich überaus unbehaglich. Ich war von früher her an weite,
5
Zgłoś jeśli naruszono regulamin