Der Spiegel 2006 05.pdf

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DAS DEUTSCHE NACHRICHTEN-MAGAZIN
Hausmitteilung
30. Januar 2006
Betr.: SPIEGEL-Gespräch, Schatzsucher, Justiz
V erabredungen mit SPIEGEL-Redakteuren sind für Bahn-Chef Hartmut Mehdorn,
63, stets eine willkommene Gelegenheit, Rundumschläge auszuteilen: gegen Poli-
tiker, gegen Mitbewerber, auch gegen seine Interviewer. Das war schon im Frühjahr
2003 so, als Äußerungen des Managers in einem SPIEGEL-Gespräch die damalige rot-
grüne Bundesregierung an den Rand einer Koalitionskrise brachten, und das trat
wieder auf, als die Redakteure Jörg Schmitt, 38, und Thomas Tuma, 41, ihn jetzt
im Berliner Bahn-Tower fragten, ob er
nicht, wie Kritiker meinen, tatsächlich
„alle Kernziele der Bahn-Politik ver-
fehlt“ habe. Mal polterte Mehdorn, und
mal brüllte er, mal schlug er kraftvoll mit
einer Hand auf den Tisch, und mal
sprang er auf, als er, wiederum, Politiker,
Mitbewerber und Interviewer ins Visier
nahm. Die Strategien des „obersten und
sicher auch streitbarsten Bahners aller
Zeiten“, so Tuma, „kann man für falsch
halten, aber niemand unter deutschen
Topmanagern vertritt seine Überzeu-
gungen mit solcher Verve“ (Seite 82).
Tuma, Mehdorn, Schmitt
S pektakulär war der Fund, den deutsche Schatzsucher 1998 vor der indonesischen
Insel Belitung machten. Im flachen Gewässer nahe Sumatra lag das Wrack der
„Batu Hitam“, die im 9. Jahrhundert mit Gold und rund 60 000 Keramikgefäßen an
Bord gesunken war. Lange zögerte Tilman Walterfang, 49, der Sprecher der Gruppe
damals, bis er Jürgen Kremb, SPIEGEL-Korrespondent für Südostasien, über die
Bergung der Kunstschätze berichtete. Warum Walterfang sich auf Fragen nach der Ver-
marktung des Fundes recht wortkarg gab, versteht der SPIEGEL-Mann inzwischen gut.
Seit November ermitteln die indonesischen Behörden, weil der Verdacht besteht,
dass die Pretiosen illegal außer
Landes geschafft wurden. Die
Polizei war den Deutschen auf
die Schliche gekommen, weil
sie sich heftig über die Vertei-
lung der Erlöse stritten. Kremb,
48, fühlt sich an Humphrey Bo-
garts Klassiker „Der Schatz der
Sierra Madre“ erinnert: „Ziem-
lich verrückte Gesellen ver-
zocken aus Gier und gegensei-
tiger Missgunst einen ziemlich
tollen Schatz“ (Seite 110).
Kremb (l.), Walterfang (mit Begleiter auf Belitung)
D er Gefangene schluckte Gabeln, hackte sich Finger ab und schoss sich in einen
Fuß, um gegen die Justiz zu protestieren: Als SPIEGEL-Reporterin Barbara
Supp, 47, auf die ungewöhnliche Geschichte des Franzosen Roland Agret, 63, stieß, hat-
te es zunächst den Anschein, als handelte es sich um Taten eines Verwirrten. In sei-
nem Haus nahe Valence bei Lyon wurde Supp klar, dass Agret es ohne die Selbst-
verstümmelung wohl nie geschafft hätte, sein Recht zu bekommen. Er saß, als Mör-
der verurteilt, im Gefängnis, obwohl er unschuldig war, er befreite sich aus den
Stricken der Justiz und nahm den Kampf um eine Entschädigung auf. „Es war furcht-
bar, was er sich angetan hat“, so Supp, „aber er sagt, er bereue nichts“ (Seite 56).
3
Im Internet: www.spiegel.de
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In diesem Heft
Titel
Mediziner entdecken die heilsame Wirkung
des Sports ............................................................ 134
Deutschland
Panorama: Staatsanwaltschaft äußert Bedenken
gegen Koch-Wesers Wechsel zur Deutschen
Bank / Merkel will Palästinenser-Präsident Abbas
treffen / Wird die Reisefreiheit
für Rechtsextremisten eingeschränkt? ................... 15
SPD: Enttäuschung über Matthias Platzeck ........... 20
Landtagswahlen: Mainzer CDU mindert
ihre Chancen ......................................................... 22
Bundeswehr: Berlin will Kongo-Einsatz
vermeiden ............................................................. 25
Regierung: SPIEGEL-Gespräch mit Außenminister
Frank-Walter Steinmeier über das Risiko Iran,
die deutschen Interessen gegenüber Russland und
das Arbeitsklima in der Großen Koalition ............. 26
Nachruf: Johannes Rau ........................................ 32
Geiselnahmen: Die Entführung in Bagdad
und der deutsche Sündenfall ................................. 34
Geheimdienste: Was BND-Agenten in Bagdad
den Amerikanern lieferten .................................... 37
Terrorismus: Computerexperte mit deutscher
Ausbildung half Osama Bin Laden ........................ 42
Linkspartei: Fusion auf der Kippe ....................... 44
CSU: Seehofer läuft sich für die
Stoiber-Nachfolge warm ........................................ 46
Strafjustiz: Prozessbeginn gegen den Sonthofener
Krankenpfleger, der 29 Patienten getötet haben soll .. 50
Gesellschaft
Szene: Bewegung der Weltverbesserer /
Umstrittene Jagd auf Raubkopierer ....................... 53
Eine Meldung und ihre Geschichte ........................ 54
Justizopfer: Der schmerzhafte Kampf
eines Franzosen um Rehabilitation ........................ 56
Ortstermin: Einsatz für die deutsche Sprache
an der Berliner Herbert-Hoover-Realschule .......... 63
Wirtschaft
Trends: Neue Probleme für Bayer / E.on belohnte
Stadtwerke auch mit Lufthansa-Meilen /
Ver.di will WM-Tarif durchsetzen .......................... 66
Stahlindustrie: Wie der indische Milliardär
Lakshmi Mittal die Branche aufrollt ...................... 68
Steuern: Zwei Reformmodelle treten
gegeneinander an .................................................. 70
Verbände: Top-Manager und Wirtschaftslobbyisten
verlangen klaren Reformkurs der Kanzlerin .......... 72
Banken: Wie handlungsfähig ist
die Deutsche Bank noch? ...................................... 74
Familienpolitik: Auf jahrelange Fehlsteuerung
folgt blinder Aktionismus ...................................... 78
Lebensmittel: Gammelskandal bei Wildfleisch ..... 81
Konzerne: SPIEGEL-Gespräch mit Bahn-Chef
Hartmut Mehdorn über seinen gescheiterten
Hamburg-Umzug und den geplanten Börsengang ... 82
Medien
Trends: Auch „Hamburger Morgenpost“
geht an britischen Investor /
SPD uneins in Sachen Springer ............................. 86
Fernsehen: Vorschau / Rückblick .......................... 91
Internet: Fünf Jahre nach dem großen Crash
meldet sich die Online-Branche zurück ................. 92
Wie Frankreich mit viel Geld Google
angreifen möchte .................................................. 94
Ausland
Panorama: Usbekistan presst Bundeswehr aus /
Spaniens Konservative vor Zerreißprobe /
Neue Foltervorwürfe gegen die USA .................... 97
Iran: Aufstieg zur Hegemonialmacht ................... 100
Mullahs nutzen eine Düsseldorfer Holding
als Finanz-Drehscheibe ........................................ 102
Unerfüllte Hoffnungen
Seite 20
Von der Großen Koalition
profitiert die Union mehr als
die SPD – obwohl die Regie-
rung bisher vor allem von
sozialdemokratischen Inhal-
ten geprägt ist. Zunehmend
gerät SPD-Chef Matthias
Platzeck in die Kritik, der
als Hoffnungsträger galt, die
Hoffnungen vieler Genossen
aber noch nicht erfüllen
konnte. Der Nachfolger
Franz Münteferings tritt, wie
einst der glücklose Partei-
chef Björn Engholm, als
Menschenfreund auf, gerät
aber gegen die Bundeskanz-
lerin ins Hintertreffen.
Müntefering, Platzeck
Deutsches Know-how für Bin Laden Seite 42
Bei einem Luftschlag in Pakistan sollen US-Militärs einen Mann mit Beziehungen
nach Deutschland getötet haben: Der marokkanische Propagandaspezialist Osama
Bin Ladens studierte in Köln sowie in Krefeld Elektrotechnik, ehe er zur Qaida
stieß – und wohl eine Tochter des Bin-Laden-Vizes Aiman al-Sawahiri heiratete.
New Economy vor dem Neustart
Seite 94
Die New Economy kehrt zurück: Rund
fünf Jahre nach dem Ende des Internet-
Hypes werden im kalifornischen Silicon
Valley wieder Milliarden investiert. Jun-
ge Firmen versprechen phantastische
Zuwachsraten. Und auch in Deutsch-
land drängen die Überlebenden der ers-
ten Stunde erneut nach vorn. Haben
die Pioniere von einst ihre Lektion aus
dem Desaster gelernt? Oder stehen
schon wieder Hysterie und Börsen-
rausch bevor?
Besucher auf Computermesse
Erfolg mit Schmerzen Seite 56
Der Franzose Roland Agret, zu Unrecht als Mörder
verurteilt, nahm vor mehr als 30 Jahren den Kampf
gegen die Justiz seines Landes auf. Um Freispruch
und Entschädigung zu erzwingen, schnitt er sich
zwei Finger ab und schoss sich in den Fuß.
Justizopfer Agret, Ehefrau
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Nahost: Was macht die Hamas
mit ihrem Wahlsieg? ............................................ 104
Afrika: SPIEGEL-Gespräch mit dem
Rockstar Bono über den Umgang mit Despoten
und Standards für die Entwicklungshilfe ............. 106
Italien: Berlusconis Kapriolen ............................ 108
Russland: Der Stein der Spione ......................... 109
Indonesien: Deutscher Schatzsucher
soll ein Betrüger sein ........................................... 110
Global Village: Hunde als Hostessen
in Hongkong ........................................................ 114
Sport
Fußball: Wie Trainer Bert van Marwijk
der Dortmunder Borussia
zu einem neuen Image verhilft ............................ 116
Ski alpin: Die Schweiz rätselt über
die Dauerkrise ihrer Rennläufer ........................... 118
Wissenschaft · Technik
Prisma: Fälschungen in der Wissenschaft
häufiger als gedacht /
Ausbreitung der Vogelgrippe durch Fischmehl? ... 121
Verhaltensforschung: Biologen entdecken
die guten Seiten der Bosheit ................................ 124
Astronomie: Signal eines erdähnlichen
Planeten aufgefangen .......................................... 127
Fotografie: Farbbeständige Kunstfotos aus
dem Tintenstrahldrucker ..................................... 128
Schule: Ein Lehrerhasser-Buch empört
Deutschlands Pädagogen ..................................... 130
Automobile: Der neue Geländewagen Q7
von Audi .............................................................. 132
Kultur
Szene: Wie ein Korangestell – kühner Entwurf
einer öffentlichen Bibliothek für Dubai /
Empörung in Frankreich über die Verleihpolitik
des Louvre ........................................................... 147
Film: Hollywoods Sehnsucht nach Versöhnung
in einer gewalttätigen Welt .................................. 150
Interview mit dem Schauspieler Joaquin Phoenix
über seine Rolle in dem
Johnny-Cash-Film „Walk the Line“ ..................... 153
Autoren: John Updike zieht Bilanz und
beschreibt in seinem Roman „Landleben“ die
Tragikomödie des Alterns .................................... 154
Bestseller .......................................................... 157
Design: Rückkehr der lange verpönten
Sitzecke bei jungen Leuten .................................. 158
Kunst: In Stuttgart präsentiert ein
schillernder Geschäftsmann und Sammler
einen unbekannten Renoir .................................. 163
Pop: Tote Rapper verkaufen sich bestens ............ 166
Iranischer Präsident Ahmadinedschad, Hamas-Anhänger in Ramallah
Nahost: Mullahs auf dem Vormarsch Seiten 100, 104
Die Mullahs in Teheran sind die großen Profiteure der Veränderungen im Nahen
Osten. Sie bauen ihren Einfluss in Syrien, im Libanon, im Irak und nun auch in den
Palästinenser-Gebieten aus, denn sie unterstützen die Hamas seit vielen Jahren. Zur
unangreifbaren Hegemonialmacht aber würde Iran mit der Bombe aufsteigen, was
der Westen zu verhindern sucht. In dieser Woche könnte der Konflikt an den Uno-
Sicherheitsrat verwiesen werden. Indes bemüht sich Russland um Vermittlung.
Das Wesen der Bosheit S. 124
Findet sich Missgunst nur bei Menschen – oder
steckt die Bosheit schon im Affen? Dann wäre sie
ein uraltes Erbe der Evolution. Mit raffinierten
Versuchen an Schimpansen, Kindern und Er-
wachsenen ergründen Verhaltensforscher und
Ökonomen die Macht der Niedertracht.
Drohgebärde eines Schimpansen
Der dunkle Rebell Seite 150
Die Filmbiografie „Walk the Line“ über die
Musikerlegende Johnny Cash gilt als ein Oscar-
Favorit. Während Hollywood immer mehr auf
politisch brisante Stoffe setzt, feiert das mit Joaquin
Phoenix besetzte Epos traditionelle Werte.
Briefe ..................................................................... 8
Impressum, Leserservice ................................ 168
Chronik ............................................................... 169
Register .............................................................. 170
Personalien ........................................................ 172
Hohlspiegel /Rückspiegel ................................ 174
Titelbild: Frank P. Wartenberg für den SPIEGEL
Cash-Darsteller Phoenix
Sport ist die beste Medizin Seite 134
Bislang rieten Ärzte zum Sport nur,
um Krankheiten vorzubeugen. Nun
zeigen etliche neue Studien: Körper-
liche Betätigung hilft sogar, wenn Pa-
tienten schon an Krebs, Herzleiden
oder Depression erkrankt sind – oft
ist Bewegung wirksamer als Medizin.
Auf Linie gebracht
Weg mit der Jeans! Designer
setzen wieder aufs Kleid. Au-
ßerdem im KulturSPIEGEL,
dem Magazin für Abonnen-
ten: George Clooney ist Holly-
woods gutes Gewissen; die
Zukunft des Fernsehens.
Frauen beim Fitnesstraining
7
der spiegel
5/2006
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Briefe
Ich fand den Titel ziemlich unkritisch ge-
genüber Israel: Ermordete Palästinenser
wurden als „Terroristen“ abgestempelt, der
damalige Terror wurde ständig mit al-
Qaida verglichen. Kritik an den Befehlen
der israelischen Ministerpräsidentin damals
hat so gut wie gar nicht existiert, während
Arafat rauf und runter kritisiert wurde.
Berlin
„Staaten handeln oft aus Rache – wie
kleine Kinder, denen das Förmchen
weggenommen worden ist. Grund für das
Hochkochen der Emotionen ist das Heim-
zahlenwollen von Ungerechtigkeiten.
Leider haben Staaten keine Eltern, sie
müssen sich selbst erziehen, zum Beispiel
mittels Kants kategorischem Imperativ.“
Hannes Küper aus Werne zum Titel
„Die Moral der Rache – Dürfen Demokratien Terroristen töten?“
Kifah Abbad
„Die Moral der Rache“ in irgendeiner Wei-
se beurteilen oder gar bewerten zu wol-
len widerspricht meinem Verständnis von
Rechtsstaatlichkeit und Demokratie eben-
so wie die, hoffentlich rhetorische, Frage,
ob Demokratien Terroristen töten dürfen!
Allein indem wir diese Frage diskutieren,
bewegen wir uns, passend zur aktuellen
Witterung, auf sehr dünnem Eis.
Wuppertal
SPIEGEL-Titel 4/2006
einfach eine Demokratie. Es ist das Land ei-
nes Volkes, das 2000 Jahre lang „vogelfrei“
war, dessen Blut vergossen werden konnte,
ohne dass die Mörder bestraft wurden. Das
ist nach München vorbei, heute gilt endlich
auch für Juden der biblische Satz „Wer
Menschenblut vergießt, dessen Blut soll
auch durch Menschen vergossen werden“,
Erschreckende Bilanz
Nr. 4/2006, Titel: Die Moral der Rache – Dürfen
Demokratien Terroristen töten?
Jürgen Lösgen
Nach dem Anschlag auf die Olympischen
Spiele in München wurde von israelischer
Seite mit Gegengewalt reagiert. Und wenn
schon so moralisch gefestigte Staaten wie Is-
rael oder jüngst die USA so reagieren, wer
dürfte sich dann darüber wundern, dass die
zur Achse des Bösen zählenden Nationen
es anders halten? Also, eindeutig ja: Jede
Gewalt erzeugt immer nur wieder Gewalt.
Wedel (Schl.-Holst.)
Der SPIEGEL fragt auf seinem Titelblatt:
„Dürfen Demokratien Terroristen töten?“
Offenbar ja, wie uns zum Beispiel ein nord-
amerikanischer Staat und sein nahöstlicher
Satrap ständig vorführen. Aber die Frage ist
falsch gestellt. Sie muss vielmehr lauten:
„Darf ein Rechtsstaat Terroristen töten?“
Ganz entschieden nein. Denn wenn es aus-
reichende Beweise oder überzeugende In-
dizien gegen einen Menschen gibt, führt
an den Gerichten kein Weg vorbei.
Berlin
Michael Koehn
Die schematische Trennung in friedliebende
Demokratien und letztlich ziellos-irrationa-
le Terroristen kann ich so nicht nachvollzie-
hen. Was Sie fast völlig ausblenden, ist die
Frage: Warum werden Menschen Terroris-
ten? Eine aggressive Ideologie allein reicht
wohl kaum als Erklärung aus; notwendig ist
hier die Frage nach den politischen, sozialen
und wirtschaftlichen Ursachen und Motiven.
Berlin
Dr. Michael Meissner
Als Kommandant des Lufthansa-Flugs
LH 615 geriet ich am 29. Oktober 1972 in
die Hände der Terroristen, die mit dieser
Entführung die drei überlebenden Atten-
täter von München freipressten. Im vori-
gen Jahr hörte ich zum ersten Mal von
dem Gerücht, dass das Ganze ein „Deal“
gewesen sein solle. Nach all dem, was mei-
ne Passagiere, meine Crew und ich damals
durchgemacht haben, halte ich diese Ver-
sion für unglaubwürdig.
Kaltenkirchen (Schl.-Holst.) Walter Claussen
Axel Weipert
Szene aus Spielbergs Film „München“
Auf dünnem Eis
Wie viel Sympathie in der ganzen Welt hat
Israel durch seine Tötungsaktionen verlo-
ren? Zum Nachdenken über den Nutzen
der „gezielten Tötungen“ empfehle ich das
sarkastisch gemeinte Gedicht des jüdischen
Schriftstellers Erich Fried mit dem Titel
„Die Maßnahmen“, in dem es unter ande-
rem heißt: „Die Narren werden geschlach-
tet, die Welt wird weise ... Die Feinde
werden geschlachtet, die Welt wird freund-
lich / Die Bösen werden geschlachtet, die
Welt wird gut!“
Albenga (Italien)
Genesis 9,6. Es handelte sich weder um
Rache noch um Abschreckung, sondern um
die Hinrichtung von Mördern.
Berlin
Ich war 1972 Schüler in der zehnten Klasse
in meiner Geburtsstadt Haifa und erinnere
mich gut an die Atmosphäre jener Tage.
Nun, nach mehr als 30 Jahren nach diesem
denkwürdigen Tag, stellt sich die Frage, was
wir, Israelis, Palästinenser und die Welt,
von der Bekämpfung des Terrors mit Ge-
walt gewonnen haben. Die Bilanz ist er-
schreckend. Nicht nur, dass der Terror nicht
gedämpft wurde, sondern seine Ausmaße
sind, im Vergleich zu der Katastrophe von
München, tausendfach gestiegen. Das Pro-
blem ist aber nicht die Gewaltanwendung
beim Kampf gegen den Terror an sich, son-
dern das Fehlen einer Vision in der politi-
schen Führung der beteiligten Parteien, die
eine Aussicht auf den Frieden beherbergt.
Leipzig
Prof. Dr. Erich Lasch
Ob Demokratien Terroristen töten dürfen?
Eindeutig ja! Bei der Abwehr von terroris-
tischen Gewaltakten geht es doch zunächst
um Unbeteiligte, denen stigmatisierte Ty-
pen rücksichtslos das Leben auslöschen.
Dortmund
Alex Forster
Dr. Rüdiger Tessmann
Vor 50 Jahren der spiegel vom 1. Februar 1956
Kommentar von Jens Daniel Zu den Wiedervereinigungstheorien des
Historikers Ludwig Dehio. Goldener Vorhang der Deutschen Mark
Ostdeutsche können sich Westbesuch nicht leisten. Formosas Schicksal
Bluffen die chinesischen Kommunisten nur? Englands Gewerkschaften
kämpfen gegeneinander Regierung erwägt „sanfte Entzunftung“.
Sowjetunion rehabilitiert Dostojewski Eigentor der Parteiwächter? Neu-
ordnung der Schreibmaschinentasten? Test nach Bewegungsstudien.
Michael Touma
Diese Artikel sind im Internet abzurufen unter www.spiegel.de
oder im Original-Heft unter Tel. 08106-6604 zu erwerben.
Mich stören Ihre Ausdrücke „Rachemord“
und „Rachefeldzug“. Israel ist nicht nur
Titel: Sherman Adams, Chefberater von US-Präsident Eisenhower
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