Norman, John - GOR 22 - Die Taenzerin von Gor.pdf

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Norman, John - Gor 20 - Die Tänzerin von Gor
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Die Tänzerin von Gor
Die Tänzerin von
Gor
von John Norman
Band 22 des Zyklus
»Gor – die Gegenerde«
übersetzt von ast
(Version 1.0 – 11/2004)
Kapitel 1
Ein Stück Seide
Ich wusste, dass ich nicht in das kulturelle Schema passte.
Ich wusste das schon lange. Dunkle Geheimnisse lagen in
mir verborgen. Ich war gezwungen worden, sie lange Jahre
verborgen zu halten. Ich wusste nicht, woher sie kamen.
Sie waren allem, was ich gelernt hatte, diametral
entgegengesetzt. Ihre Ursprünge aber lagen scheinbar tief
in mir selbst und entsprachen, wie ich befürchtete, wenn
ich nachts ängstlich, schwitzend und verzweifelt wach lag,
meiner wahren Natur. Aber eine solche Natur wollte ich
nicht, und wenn sie sich nicht verdrängen ließ, so subtil,
unnachgiebig und zäh sie in mir wirkte, so wollte ich sie
doch nie, nie, nie zugeben. Ja, ich bekämpfte sie, diese
Geheimnisse, dieses verborgene Wissen, diese Erwartun-
gen und Träume. Ja ich bekämpfte, wie es meine Kultur
und meine Bildung verlangten, diese Dinge, die mir
zeigten, wie ich wirklich war. Ich wies die Geheimnisse
zurück, aber es nutzte nichts. Sie kamen immer wieder,
entsetzten mich abermals, verspotteten mich und beraubten
mich in der Dunkelheit meines Bettes meiner Vorwände
und Lügen. Ich wand mich im Bett, schlug um mich,
weinte und schrie: »Nein, nein!« Dann vergrub ich meinen
Kopf in den Kissen und dämpfte meine ohnmächtigen
Tränen. War ich wirklich so schwach und so schrecklich?
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War ich wirklich so anders als alle? Bestimmt war niemand
so schwach, so beschämend, so schrecklich wie ich.
Dann, eines Nachts, erhob ich mich aus meinem Bett,
ging zum Frisiertisch und zündete die kleine Kerze an, die
dort stand. Ich hatte die Kerze einige Wochen vorher
gekauft, sicher weil ich wusste, tief in meinem tiefsten
Inneren, in meinem gequälten Geist, meiner gefolterten
Brust wusste, dass diese Nacht kommen würde. Ich
zündete die kleine Kerze an. Ich stand dort einige Minuten
im flackernden Licht und sah mich an.
Ich trug ein weißes, knöchellanges Nachthemd. Ich hatte
dunkles Haar und dunkle Augen. Zu dieser Zeit war mein
Haar schulterlang. Dann, ohne zum Spiegel zu schauen,
schlich ich in Kerzenlicht und Schatten zur Frisier-
kommode und holte dort unter mehreren Schichten von
Kleidungsstücken, unter denen ich es schon vor Wochen
versteckt hatte, ein kleines scharlachrotes Tuch hervor. Es
war winzig und aus Seide und hatte Träger über den
Schultern. Ich hatte es vor einigen Wochen genäht und
bisher nicht gewagt, mich darin zu betrachten. Es war der
dritte Versuch. Den Stoff und den Faden für den ersten
hatte ich, noch nicht von der Schere berührt, in einem
plötzlichen Erschrecken weggeworfen. Dann begann ich
vor etwa zwei Monaten die Arbeit am zweiten, aber als das
Tuch meinen Körper berührte, erfasste ich plötzlich seine
Bedeutung, begann zu zittern und, kaum wissend, was ich
tat, riss ich es in Stücke und warf es weg! Aber es
erschreckte mich weiter, obwohl ich es zerstört hatte. Ich
wusste, ich würde ein drittes machen.
Ich nahm das dritte Tuch aus dem Schubfach. Doch
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plötzlich stopfte ich es wieder zwischen die anderen
Sachen und schloss die Kommode. Dann, schwer atmend,
öffnete ich sie wieder und holte das Tuch wieder heraus.
Ich ging zum Frisiertisch zurück und vermied dabei den
Blick in den Spiegel. Ich ließ das Stück scharlachroter
Seide neben meinen Fuß auf den Teppich fallen. Ich
zitterte. Es schien, als könnte ich kaum Luft bekommen.
Ich hob meine Augen wieder zu der Gestalt im Spiegel.
Sie war nicht groß, aber mir erschien sie hübsch. Aber es
ist schwer, dabei objektiv zu sein. Ich nehme an, dass es
objektive Kriterien gibt, ob Männer bereit sind, für ein
Mädchen mit Geld zu bezahlen, aber das umfasst sicher ein
ganzes Spektrum von Wunschvorstellungen, und hübsch zu
sein ist vielleicht nicht einmal am Wichtigsten. Ich wusste
es nicht. Ich nehme sogar an, für einen Mann ist die
Vorstellung wichtiger, was er mit einer Frau anstellen
könnte, und, wenn er sie sieht, was er mit ihr tun wird.
Ich sah zu der Gestalt im Spiegel. Ihr Nachthemd,
knöchellang, war aus weißer Baumwolle. Es kam mir
ziemlich zurückhaltend vor, ließ aber keinen Zweifel
daran, dass sie eine Frau war und vielleicht sogar eine
attraktive Frau, doch das lag sicher eher im Blick der
Männer. Ich bemerkte Tränenspuren auf den Wangen des
Mädchens, das mir im Spiegel gegenüberstand. Sie zitterte,
ihre Lippen bebten. Wovor fürchtete sie sich? Davor, was
sie im Spiegel sah? Sie war es selbst. Warum sollte sie sich
vor sich selbst fürchten? Ich sah, dass sie ein Nachthemd
trug. Ich mochte das. Pyjamas gefielen mir nicht. Vielleicht
war sie zu feminin für Frauen in diesen Zeiten, aber auch
solche Frauen gab es. Sie sind vorhanden und ihre
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