Roberts Nora - Zaertlichkeit Des Lebens.pdf

(1583 KB) Pobierz
Zärtlichkeit des Lebens
Nora Roberts
Zrtlichkeit des
Lebens
scanned by Ginevra
corrected by Cara
Die junge Architektin Sarah Lancaster hat in ihrem Leben immer erreicht,
was sie wollte - unter Einsatz all ihrer Waffen. Als sie im Auftrag ihrer
Firma in Paris ein Kulturzentrum baut, lernt sie den Franzosen Januel
Bounnet kennen und lieben. Aber Januel ist nicht treu. In ihrer Verzweiflung
fliegt Sarah Hals ber Kopf nach Phoenix zurck. Da ist immer noch der
faszinierende Byron Lloyd, der Vize-Prsident ihrer Firma...
ISBN 3-453-07556-0
Originalausgabe Promise Me Tomorrow
1994 by Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, Mnchen
Umschlaggestaltung: Atelier Ingrid Schtz, Mnchen
Dieses E-Book ist nicht zum Verkauf bestimmt!!!
6022652.001.png 6022652.002.png
Fr Ruth und Marianne, die das Buch gelesen, mir zugehrt
und mich vor allem zum Lachen gebracht haben.
1
Es war ein makelloses, harmonisches Gebude. Die ersten
fnf Stockwerke glichen einem Kubus, durchwirkt von einer
Fensterfront, und auf diesem Sockel erhob sich ein glserner
Turm, der dank seiner Lichtdurchlssigkeit und trotz seiner
fnfzig Stockwerke filigran wirkte. Fast schwerelos schien er
den azurblauen Himmel zu durchschneiden.
Sarah stand unter der glei¦enden Sonne, beschattete sich mit
einer Hand die Augen und legte den Kopf weit in den Nacken,
so da¦ sie das oberste Stockwerk sehen konnte. Ihr Gesicht
spiegelte jene Sammlung und Bewunderung wider, die man bei
Kunststudenten beobachten kann, die das Werk eines alten
Meisters betrachten. Sie empfand die knstlerische Vollendung,
die sich in der Grazilheit des emporstrebenden Turms, der
Anmut der horizontalen Linie, dem perfekten Zusammenspiel
von Form und Funktion ausdrckte. In seiner Hhe und
Schlankheit lag Eleganz - und auch Kraft. Sie erkannte Macht
darin. Sarah schtzte Macht sehr, ungeachtet dessen, ob sie
einem unbelebten Gegenstand oder einem Lebewesen zueigen
war. Ihr eigenes Machtbewu¦tsein hatte sie ihr ganzes Leben
lang kultiviert.
Sie war das Kind ruhiger, durchschnittlicher Eltern. James
Lancaster war Kinderarzt gewesen, ein hochgewachsener,
hagerer Mann, bei Sarahs Geburt fnfunddrei¦ig Jahre alt. Er
hatte rostbraunes Haar, kluge Augen, eine lange, dnne Nase
und einen gro¦en Mund mit schmalen Lippen. Sarah erinnerte
sich an ihn als an einen Mann mit behutsamen Hnden, der
hufig lchelte. Ein Mann ohne List und Tcke.
Penelope Lancaster, die zehn Jahre jnger als ihr Mann war,
glich ihr Konto jeden Monat bis auf den Pfennig genau aus;
donnerstags studierte sie die Sonderangebote in der Zeitung. Sie
fhrte ihren Haushalt in New Rochelle mustergltig und strich
-3-
alle zwei Jahre eigenhndig die Fensterlden. Obwohl klein von
Statur, hatte sie berraschend lange Beine und feste, gut
entwickelte Brste. Ihr Gesicht war klassisch oval geschnitten
und rosig berhaucht, ihre Augen gro¦ und grn. Im Ganzen
eine jener natrlichen blonden Schnheiten, die bis ins hohe
Alter ansprechend bleiben.
Dem Zusammenwirken der Gene dieser beiden freundlichen,
gutaussehenden Menschen war die sprhende, atemberaubende
Schnheit ihrer Tochter zu verdanken. Ihr Gesicht hatte die
gleiche Form wie das ihrer Mutter, ihr Teint war eine Mischung
aus der hellen Haut ihres Vaters und der blhenden Frische ihrer
Mutter. Sie hatte einen gro¦en Mund mit einer Leidenschaft
verhei¦enden vollen Unterlippe. Ihre schne, gerade und klar
gemei¦elte Nase verlieh ihrem Provil etwas gyptisches. Die
gro¦en, mandelfrmigen Augen mit den ungewhnlichen grnen
Einsprengseln fesselten den Betrachter. Ihr Haar hatte die Farbe
eines Rehkitzes, ein schwer beschreibbares Hellbraun mit
unzhligen Lichtnuancen.
Schne Kinder verfgen ber Macht, obwohl dies oft
verborgen bleibt, wenn sie nicht gleichzeitig gescheit sind, was
Sarah jedoch von jeher gewesen war; ihre Intelligenz war frh
gereift. Es hatte ihre Eltern oft beunruhigt, solch wache Klugheit
in einem Kindergesicht zu bemerken, das Verstndnis eines
Erwachsenen in jugendlichen Augen zu entdecken. Ihre
Angewohnheit, anderen geradewegs in die Augen zu schauen
und nach dem Menschen dahinter zu suchen, hatte sie schon als
junges Mdchen entwickelt. Diese reife, fragende Intelligenz
hatte sie mglicherweise ihren Altersgenossen entfremdet, doch
davor bewahrte sie ihre aufrichtige Zuneigung fr andere.
Kleine Fehler strten Sarah nicht. Wurden sie von ihr entdeckt,
nahm sie sie hin, schtzte sie manchmal sogar wegen ihrer
Einzigartigkeit. Gleichfrmigkeit verabscheute sie, menschliche
Schwchen nahm sie hin. Sie gehrte berdies zu den
Menschen, denen es nicht nur gefllt, wenn sie ihren Willen
-4-
durchgesetzt haben, sondern die auch den Weg dorthin
ernstzunehmen wissen.
Von frhster Kindheit an hatte sie ihren Charme ganz
selbstverstndlich und wirksam als Waffe eingesetzt. Wenn sie
damit keinen Erfolg hatte, was hin und wieder passierte, nderte
sie einfach ihre Taktik. Sie konnte andere einschchtern, war
launenhaft und eigensinnig. Trnen gebrauchte sie nie als Mittel
zum Zweck. Frauen, die Weinen als Waffe benutzten, setzten
nach Sarahs Meinung ihre Gleichberechtigung fr einen
kurzzeitigen Sieg aufs Spiel. Trnen zur passenden Gelegenheit
empfand sie als scheinheilig. Sarah hatte noch nie geheuchelt.
Zudem wu¦te sie, da¦ ihr nchterner, durchdringender Blick ein
ganzes Arsenal von Trnen aufwog.
Jetzt setzte sie ihn ein, um das Haladay-Gebude grndlich
anzuschauen und zu analysieren. In architektonischer Hinsicht
schien es hervorragend gelungen zu sein, sowohl was
Funktionalitt wie auch sthetik betraf. Schon immer war es
Sarahs Ziel gewesen, wenn sie am Rei¦brett sa¦, diese beiden
Aspekte gleicherma¦en zu bercksichtigen. Das Haladay-
Gebude pa¦te zu Phoenix. Es wirkte so klar und leicht wie die
Wstenluft.
Auf seine Art war Maxwell Haladay wohl ebenso
hervorragend wie das Gebude, das fr ihn geschaffen worden
war. Er war schlau, schnell von Begriff und hatte sich von unten
hochgearbeitet. All dies sprach Sarah an. Ihr gefiel das
Bodenstndige an Haladays Kampf um Erfolg, und sie war
gefhlvoll genug, um sich ber den glcklichen Ausgang zu
freuen. Darber hinaus regten die geheimnisvollen Gerchte, die
sich um sein Privatleben whrend seines fnfzigjhrigen
Aufstiegs zur Macht rankten, ihre Fantasie an.
Sie wu¦te, da¦ Haladay vor etwa drei¦ig Jahren wegen
gesundheitlicher Probleme seiner Frau nach Arizona gezogen
war. Nach ihrem Tod war die Hauptniederlassung seines
Unternehmens in Phoenix geblieben, obwohl Haladay-
-5-
Zgłoś jeśli naruszono regulamin